Limburg hat gewählt - Briefwahlergebnis erstaunlich

Die Bundestagswahl 2025 ist gelaufen. Auch Limburg hat gewählt - in 14 Präsenzlokalen und entsprechenden Briefwahlbezirken. In der Domstadt wurde die CDU mit 32,6% stärkste Partei, vor der AfD mit 19%. Den dritten Rang belegt die SPD (16,9%). Die FDP kommt in Limburg knapp über die 5%-Hürde, was ihr im Bund nicht gelang. Rund ein Drittel aller Stimmen wurden per Briefwahl abgegeben. Wir betrachten die Unterschiede zwischen Briefwahl und Präsenzwahl und stellen dabei Interessantes, vor allem für den Stadtteil Dietkirchen, fest.
24.544 Wahlberechtigte waren in Limburg zur Bundestagswahl aufgerufen. 80,2% machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch und wählten so ihre Vertreter für den neuen Bundestag. 14 Parteien in der Listenwahl und acht Wahlkreisbewerber für die Erststimme standen auf dem Wahlzettel.
Im Erststimmenergebnis setzte sich in Limburg der langjährige Wahlkreisvertreter Klaus-Peter Willsch (CDU) mit 36,4% der Stimmen vor dem SPD-Bewerber Rabanus durch. Einen Achtunsgerfolg erzielte Jan Feser (AfD), der mehr als 19% der Stimmen erzielte und damit das Zweitstimmenergebnis der AfD sogar übertraf. Wir stellten Jan Feser im Rahmen unserer Berichterstattung von einer AfD-Veranstaltung in Runkel vor.
Briefwahl - Auch nach Corona noch beliebt
Eigentlich schreibt das Grundgesetz eine Präsenzwahl im Wahllokal vor. Die Briefwahl sollte nur die Ausnahme sein, z.B. bei Krankheit oder urlaubsbedingter Verhinderung. Tatsächlich hat die Briefwahl in den letzten Jahren jedoch erheblich an Bdeutung gewonnen. Während der Corona-Pandemie nutzten verständlicherweise sehr viele Wählerinnen und Wähler diese Möglichkeit. Insgesamt hat sich die Briefwahl weit über den ursprünglichen Anwendungszweck hinaus etabliert.
Bedingt durch die Tatsache, dass die Briefwahlstimmen schon lange vor dem eigentlichen Wahltag eingesendet werden müssen, wird die Briefwahl vielfach kritisch gesehen. Zum einen können Wähler Ereignisse kurz vor dem Wahltag, wie z.B. der Mordanschlag von München oder auch die Präsenz der Kanzlerkandidaten in den diversen TV-Formaten, nicht in ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen. Zum anderen bestehen gegenüber der Präsenzwahl mehr Möglichkeiten für eventuelle Manipulationsversuche, da die Wahlurnen längere Zeit "im Einsatz" sind.
Ein Mittel, um Wahlfäslschungen vorzubeugen, ist die Wahlbeobachtung. Am Wahltag in der Präsenzwahl im Wahllokal könnte man den gesamten Wahlvorgang beobachten. Bei der Briefwahl ist dies naturgemäß nicht möglich. Eine Wahlbeobachtung erfolgt in der Regel maximal bei der Auszählung. Kritiker der Briefwahl, die eine Manipulation befürchten, empfehlen deshalb die Präsenzwahl im Wahllokal.
Abweichungen in den Briefwahlergebnissen
Neben der Anwesenheit im Wahllokal kann man versuchen, durch Datenanalysen möglichen Ungereimtheiten im Wahlvorgang nachzuspüren. Damit sind zwar nur in den seltensten Fällen echte Beweisführungen möglich. Es lassen sich aber zumindest Erkenntnisse gewinnen, die für Wähler und ihr künftiges Wahlverhalten von Interesse sein können.
Was in den Limburger Wahlergebnisse auf den ersten Blick heraussticht (siehe Grafik 3 oben) ist der erhebliche Unterschied in den erzielten Ergebnissen der AfD zwischen der Präsenzwahl einerseits (einfacher ungewichteter Durchschnitt 23,4%) und dem Briefwahlergebnis (11,8%) andererseits. Wir haben uns deshalb die Ergebnisse genauer angeschaut und vergleichen die Parteien untereinander.
Bei der SPD (16,25% Präsenzwahl, 18,3% Briefwahl) und den Grünen (9,6% Präsenz zu 11,9% Briefwahl) liegen die Wahlergebnisse deutlich näher beieinander. Beide Parteien schneiden in der Briefwahl besser ab als an der Präsenz-Urne. Eine sehr deutliche Diskrepanz in den Wahlergebnissen liegt bei der CDU vor, die in der Präsenzwahl 29% erreichte, während sie im Briefwahlergebnis bei 38,8% gelandet ist!
Beide Abweichungen, AfD und CDU, sind dabei statistisch signifikant, während die Abweichungen bei SPD und Grünen nicht signifikant sind. Auch "Sonstige Parteien" wurden in Präsenz häufiger gewählt. Das Ergebnis ist auch hier statistisch signifikant.
Die Frage ist, wieso diese Abweichungen zwischen Brief- und Präsenzwahl entstanden sein könnten. Man kann sicher zurecht vermuten, dass AfD- und sonstige Wähler kritischer gegenüber dem Wahlsystem eingestellt sind (siehe oben) und deshalb die Präsenzwahl vorziehen. Das erscheint plausibel. Wäre dies jedoch der einzige Erklärungsfaktor, müssten die anderen Parteien ungefähr vergleichbare Verzerrungen aufweisen. Im Falle von der CDU ist die gemessene Abweichung jedoch zu groß.
Aus den sonstige Wahlanalysen der Meinungsforschungsinstute wissen wir, dass CDU und SPD vor allem von älteren Wählerinnen und Wählern gewählt wurden. Ältere Menschen wiederum bevorzugen die Briefwahl. Doch die SPD weist kein statistisch signifikant höheres Ergebnis in der Briefwahl auf. Die CDU dagegen schon.
So bleibt die CDU als einsame Briefwahlkönigin übrig. Kann es sein, dass die CDU bevorzugt von Menschen in Seniorenheimen gewählt wurde und die Briefwahlstimmen aus solchen Heimen stammen? Um dieser Frage nachzuspüren, haben wir uns die einzelnen Wahlbezirke näher angeschaut und die erzielten Ergebnisse von CDU und AfD ins Verhältnis zum jeweiligen Erwartungswert (= Anzahl der Stimmen für die Partei bei einem Ergebnis wie im Stadtdurchschnitt) gesetzt.
CDU und AfD in der Wahlbezirken
Die Ergebnisse lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen:
Kategorie 1 sind Bezirke, wo CDU und AfD unterdurchschnittlich abschneiden. Dies könnten "linke" Hochburgen sein. Hierzu zählen die Innenstadt-Bezirke "Josef-Kohlmeier-Halle" (Altstadt), "Theodor-Heuss-Schule" (Schafsberg etc.), "Goethe-Schule" (Südstadt) sowie der Stadtteil Staffel.
Kategorie 2 sind Bezirke, wo CDU und AfD beide überdurchschnittlich abschneiden, also die "konservativen" Hochburgen. Eine solche gibt es nur in Offheim.
Kategorie 3 sind Bezirke, wo CDU oder AfD stärker sind, die Abweichungen jedoch moderat im Bereich statistischer Unschärfe: Blumenrod, "Adolf-Reichwein-Schule"), Lindenholzhausen 1+2
Kategorie 4 sind AfD-Hochburgen: das sind der Bezirk "Leo-Sternberg-Schule" sowie die Stadtteile Linter und Ahlbach
Kategorie 5 sind CDU-Hochburgen: dies sind die Stadtteile Dietkirchen und Eschhofen
Dietkirchener Ausreißer
Mit Dietkirchen wollen wir uns zum Abschluss noch etwas näher befassen. Denn hier erzielte die CDU nicht nur ca. 100 Stimmen mehr als im Durchschnitt der Stadt, was rund 10% Prozentpunkte im Wahlergebnis entspricht. Sondern die AfD schneidet hier auch besonders schlecht ab mit minus 60 Stimmen zum Durchschnitt.
Dietkirchen ist dabei auch gleichzeitig der "Briefwahl-König". Nirgends gaben so viele Menschen, nämlich 39,3% (31,3% im Stadt-Durchschnitt), ihre Stimme per Briefwahl ab. Uns liegen leider keine Informationen zur Demografie in Dietkirchen vor. Es wäre spannend zu hören, ob hier die Wahlberechtigten besonders alt sind. Oder welche anderen Gründe könnten hier dazu geführt haben, dass die konservativen Dietkirchener den Schritt zur AfD nicht vollzogen haben, den die Wähler in allen anderen Wahlbezirken nicht gescheut haben? Gibt es hierfür Motive, die nur in diesem Stadtteil wirkten?
Auch liegt uns keine Information dazu vor, ob es hier besondere Senioreneinrichtungen gibt. In Blumenrod und im Innenstadt-Bereich gibt es diese, aber hier liegen keine statistisch signifikanten Abweichungen vor.
Fazit
Unsere Analyse gibt keine Hinweise auf eine unlautere Beeinflussung des Wahlergebnisses oder forensisch auffällige Unterschiede zwischen Brief- und Präsenzwahl, die einen Manipulationsverdacht begründen könnten. Dennoch sind die Unterschiede zwischen Präsenz- und Briefwahl so groß, dass man über die Zulässigkeit der Briefwahl in Anlehnung an die Regelung unseres Grundgesetzes diskutieren sollte.
Die Unterschiede in den Wahlergebnissen sind so signifikant, dass zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Informationsstand der Wahlberechtigten bei der Präsenz- und Briefwahl eventuell so unterschiedlich war, dass das Wahlergebnis bei einer hundertprozentigen Sonntagswahl womöglich anders, in diesem Fall zu Gunsten der AfD, ausgefallen wäre. Dies dürfte nicht nur auf Limburg sondern ganz Deutschland zutreffen.
Den Sonderfall "Dietkirchen" erklären jedoch selbst die oben stehenden Gründe nicht ausreichend. Hier würde wohl nur eine Nachwahlbefragung der Dietkirchener Bevölkerung weiteren Aufschluss geben können.