Großes Geschäft mit betrügerischer Werbung

Betroffen sind bekannte Namen der Finanzindustrie, zum Beispiel Dr. Jens Ehrhardt, die Deutsche Börse, Dirk Müller oder auch Marc Friedrich. Dies sind nur einige. Ihre Namen und ihre große Reichweite werden von Betrügern dazu genutzt, arglose Menschen zu täuschen und in betrügerische Finanzinstrumente zu locken. Wir werfen einen Blick auf die Methoden der Täter und warum es den Prominenten schwer fällt, diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die großen Plattformen, die schamlos am Betrug mitverdienen.
"Pump and dump"
Es passiert tausendfach jeden Tag, dass einem als Nutzer in den sozialen Netzwerken seiner Wahl scheinbar verlockende Angebote unterbreitet werden. Bekannte Größen wie Marc Friedrich oder Dirk Müller, die für Finanzanalysen bekannt sind, versprechen darin horrende Renditen mit "sicheren Anlagen" in Aktien, Kryptowährungen oder am "grauen Kapitalmarkt".
Wer auf die Anzeigen klickt, wird in Whatsapp Gruppen o.ä, eingeladen und dort "professionell bearbeitet". Auch dank Künstlicher Intelligenz und anderer, traditioneller Methoden fällt es den mutmaßlich Geschädigten oft gar nicht auf, dass sie statt mit den echten Finanzgrößen mit Betrügern oder gar automatisierten Chat-Bots sprechen. "Silke, die Assistentin von Marc Friedrich" gibt es nämlich nicht, auch wenn sie täuschend echt wirkt.
Den Betrug bemerken die Betroffenen oftmals erst dann, wenn sie ihr Geld schon verloren haben und in ihrem Bemühen, Aufklärung oder Rückerstattung zu erlangen, beim echten Marc Friedrich anrufen. "Bis zu 25 Anrufe oder Mails von Geschädigten erhalten wir im Durchschnitt jeden Tag" berichtet uns die Pressesprecherin von Marc Friedrich. Bei der schieren Zahl an Fakeprofilen weiterer Prominenter wird schnell deutlich, wie groß dieser Markt der Identitätsbetrüger inzwischen geworden ist.
Und die Menschen, die oftmals erst viel zu spät erkennen, dass sie einem Betrugsschema aufgesessen sind, berichten teils von Verlusten im sechstelligen Bereich!
Die Maschen sind dabei immer wieder die gleichen: am Anfang steht ein irres Renditeversprechen von 30% oder 100% in wenigen Wochen, welches mit angeblich sicheren Tipps zu erzielen sein soll. Ganz egal für wie qualifiziert man die zu Werbezwecken missbrauchten Finanz-Köpfe auch hält: solche Renditeversprachen sind und waren schon immer unseriös. Und würden von den echten Personen, allein schon aus Angst vor einer ordentlichen Klagewelle, wohl niemals so geäußert werden.
Lässt man sich dennoch auf diese Betrüger ein, wird man entweder aufgefordert, Geld für einen Tipp an eine obskure ausländische Bankadresse zu senden. Oder man erhält den Tipp, einen unbekannten, darniederliegenden "Penny-Stock" zu kaufen, der kurz vor einer Kursexplosion stehen soll. Was die getäuschten Anleger nicht wissen: der Betrüger sitzt bereits auf einem großen Paket dieser in der Regel wertlosen Papiere und wartet nur auf die "Nachfrage" vom Geld der getäuschten Anleger. Diesen verkauft er dann seine Aktien zu überhöhten Preisen - "pump and dump", also aufpumpen und abladen, nennt man dieses altbekannte und natürlich illegale Finanzgebaren.
Dies sind nur zwei Beispiele der angewandeten Methoden. In der Praxis sind die gewählten Betrugsmethoden zahlreich. Geinsam ist jedoch allen, dass die Betrüger die Gier, die Unerfahrenheit oder am besten beides in ihrer "Zielgruppe" anzusprechen versuchen.
Zahnlose Strafverfolgung
Obwohl die Methoden der Betrüger bekannt und überwiegend leicht zu erkennen sind, scheint es offenbar doch schwierig diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Ursächlich dafür ist, dass sich die Betrüger meist im Ausland aufhalten und Zahlungsströme und Organisationsstrukturen möglichst über mehrere Ebenen und Ländergrenzen hinweg zu verschleiern versuchen.
Unsere Nachfragen bei den geschädigten Prominenten, deren Reputation durch die Betrugsmaschen massiv angegriffen werden, ergaben, dass diese zwar bekannte Betrügereien zur Anzeige bringen, aber nur selten Erfolge durch die Strafverfolgungsbehörden zu verzeichnen sind. Im Falle von Marc Friedrich führte zum Beispiel eine Spur der Betrüger nach London. Doch wie wenig effektiv der Verbraucherschutz selbst in diesem Fall ist, zeigt die fast hilflos wirkende Mitteilung der für Verbraucherschutz am Finanzmarkt zuständige Behörde "Bafin".
Auf jeden Betrüger, der tatsächlich einmal dingfest gemacht werden kann, wachsen - wie bei einer Hydra - hundert neue Klons nach, die zudem dank KI in ihren Betrugsmaschen immer perfekter werden.
Irritiert waren wir in unserer Recherche aber dennoch, dass zum einen einzelne angesprochene Promis auf unsere Anfrage erst gar nicht antworteten. Ihnen scheint das Thema unangenehm. Wir haben auch davon erfahren, dass einige dieser Promis jeglichen Kontakt mit Geschädigten ablehnen. Eine fragewürdige Art der Problembewältigung, die zwar angesichts der schieren Anzahl an "aufgeregten Anfragen von Geschädigten" erklärbar ist, aber das Problem in keinster Weise adressiert.
Zum anderen scheinen einige der in der Öffentlichkeit als "große Macher mit hoher Kompetenz" auftretenden Promis die Kosten und Mühen von Strafverfolgung oder anderen Methoden der Betrugsbekämpfung zu scheuen. Es scheint noch nicht einmal eine Solidarisierung untereinander stattzufinden, um gemeinsam das Problem an der Wurzel zu packen.
Die Verantwortung der Plattformen
Denn in dem Spiel gibt es eine Stelle, die es den Betrügern erst ermöglicht, solche "Fake-Werbeanzeigen" zu veröffentlichen. Und dies sind die großen Plattformen, auf denen die Betrüger ihre Fake-Anzeigen schalten oder auf denen, wie z.B. bei Youtube, Betrüger Spam und unlautere Werbung in den Kommentaren unter den Videos hinterlassen.
Die Plattformen könnten ihrerseits z.B. selbst KI-Bots darauf ansetzen, betrügerische Kommentare oder das Werben mit Fake-Identitäten zu erkennen. Dies scheint nicht in ausreichendem Maße zu passieren. Während "Upload-Filter" und "Community-Standards" zuverlässig unerwünschte politische Meinungen und Haltungen zu einer Impfung erkennen und löschen können, scheint man auf dem Gebiet der Betrugsprävention machtlos. Dabei sind die Fakes für erfahrene Finanzleute leicht erkennbar.
Mehr noch: Plattformen wie Facebook verdienen anscheinend prächtig an diesen Fake-Anzeigen. Laut den Facebook-Werberichtlinien sind solche Betrugsanzeigen von Personen, die sich der Marken und Identitäten anderer Personen rechtswidrig bedienen, eigentlich unzulässig. Facebook wirbt damit, dass es verpflichtet sei, die Identitäten zu prüfen und den Nutzern der Plattform transparent zu machen, wer die Begünstigten sind.
Facebook bietet zudem die Möglichkeit für Nutzer, verdächtige Werbung zu melden und so Facebook auf mögliche Betrugsversuche hinzuweisen. Facebook sichert zu, diese Meldungen akribisch zu prüfen und entsprechende illegale Werbung von der Plattform zu entfernen.
Doch nichts davon scheint wirklich effektiv zu passieren!
Wir haben es getestet und selbst zigfach, offensichtlich betrügerische Inhalte gemeldet. Nur in einem (!) Fall, und dies erst nach einer zweiten Prüfung, hat Facebook die gemeldete Anzeige von der Plattform genommen (siehe Screenshots), In den anderen von uns eingeleiteten Fällen führte auch eine nochmalige Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis. Die Fake-Anzeigen blieben online. Offenbar ignoriert Facebook die Meldungen oder es sind keine hinreichenden Mechanismen implementiert, die Betrugsanzeigen zu erkennen und von der Plattform entfernen.
Auf unsere Anfrage, warum der Mechanismus zur Überprüfung von Fake-Anzeigen nicht effektiv funktioniert, erhielten wir von Facebook bis heute keine Antwort.
Auch die betroffenen Promis haben sich unseren Recherchen nach bereits vereinzelt an Facebook gewandt, jedoch ebenfalls keine oder keine befriedigende Antwort erhalten. Juristisch scheint bislang auch noch niemand gegen die Gganten aus den USA vorgehen zu wollen. Der erlittene Reputationsschaden scheint die Kosten von Rechtsstreitigkeiten noch nicht zu übersteigen.
Dabei wiegen die Vorwürfe gegen Facebook schwer, sich an einer offensichtlich sehr lukrativen Betrugsmasche über entsprechende Werbeeinnahmen selbst zu bereichern. Nicht nur das Anzeigen, die als verdächtig gemeldet werden, in fast 100% der Fälle (so unsere Stichprobe) nicht erkannt bzw. entfernt werden. Auch im Onboarding-Prozess scheint man es mit der Identitätsfeststellung der Geschäftspartner, die sich angeblich laut Werbestandards legtimieren müssen, nicht ganz genau zu nehmen. Sonst müsste es den Strafverfolgungsbehörden viel leichter fallen, die Betrüger zu identifizieren und anzuklagen. Oder verweigert Facebook die Kooperation mit den - in der Regel im EU-Ausland residierenden - Strafverfolgungsbehörden? Auch das konnten wir bislang nicht in Erfahrung bringen.
Die Werbeeinnahmen, die eine Plattform wie Facebook mit Finanz-Betrügereien erzielt, dürften vermutlich sehr hoch sein. Darauf deutet zum einen die Zahl an Geschädigten und das Schadensvolumen hin, von denen sicher nur ein geringer Teil bislang bekannt geworden sein dürfte. Zum anderen muss ein hoher ökonomischer Nutzen bei einem Plattformbetreiber vorliegen, um das Rechtsrisiko einer möglichen Mittäterschaft durch die fahrlässige Bereitstellung der eigenen Plattform zu rechtfertigen.
Denn was unterscheidet eine Social Media-Plattform, die Betrügern trotz "Werbestandards" auf der eigenen Plattform kriminelle Werbung "ermöglicht", von einem Kneipenwirt, der wissentlich einen Drogendealer in seiner Kneipe duldet - und kackfrech am Eingang der Kneipe ein Schild aufhängt, dass Dealer in seiner Kneipe unerwünscht seien? Eigentlich nichts.
Genau dies ist die Analogie, die uns zum Verhalten des Werbegiganten Facebook in den Sinn kommt, dessen Lippenbekenntnisse zu einem "sauberen, legalen Werbegeschäft" in der Praxis wenig Wert zu sein scheinen.
Wann wehren sich die Betroffenen?
Wenn es um Schäden einzelner Anleger in Höhe von über 100.000 Euro geht, wenn es um die Reputation von erfolgreichen Finanz-Berühmtheiten geht, die sicher allesamt keine Geringverdiener sind, dann stellen wir uns die Frage, warum niemand das Problem an der Wurzel packt und den "Görlitzer Park der Fake-Anzeigen" juristisch adressiert. DIe Belege liegen klar auf den Hand bzw. können sich täglich in der eigenen Timeline leicht beschafft werden. Social Media-Plattformen, allen voran Facebook, geben sich wenig bis keine effektiv wirksame Mühe , den unzähligen Betrugsversuchen auf ihren Plattformen Einhalt zu gebieten. Dies geschieht unserer Recherche nach - mit Blick auf die Reaktionen auf User-Meldungen - zumindest grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich. Die eigenen hochtrabenden "Werbestandards" werden jedenfalls nicht effektiv eingehalten, sonst gäbe es das Phänomen unserer Meinung nach in diesem Ausmaß nicht.
Die Masche der Finanzbetrüger, die schiere Zahl an Fakeprofilen, auf deren Löschung 10 neue entstehen, deuten auf eine hohe kriminelle Energie der Täter und entsprechende Organisationsstrukturen hin. Wir sprechen also von einer organisierter Kriminalität. Täter einer Straftat der organisierten Kriminalität werden nicht nur bestraft, sondern die Gewinne aus ihren Straftaten können zudem abgeschöpft werden.
Doch wo kein Täter ermittelt werden kann, können auch die Gewinne nicht kassiert werden. Man könnte jedoch das wirtschaftliche Interesse der "Marktplätze" für solche Betrügereien schwächen, indem man gerichtlich die Tat feststellen lässt und im Falle eines unbekannten Täters die Gewinne des Marktplatzes als Teil einer Schadenswiedergutmachung konfiszieren und treuhänderisch verwahren ließe - oder zur Betrugsbekämpfung einsetzen würde. Denn warum sollte sich jemand an Betrug bereichern dürfen?
Wie sind uns sicher, dass sich die Plattformbetreiber dann deutlich mehr Mühe geben würden, es Kriminellen im Netz zu erschweren, durch Betrug und Identitätsdiebstahl horrende Gewinne abzuzocken und arglose Menschen um die Früchte ihrer Arbeit zu betrügen.