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Ein Hauch von Bamberg in Wetzlar

17. April 2025 // geschrieben von Manfred
Redebeitrag von Thomas E. auf der Demo in Wetzlar

Die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht in Bamberg sorgten jüngst mit fragwürdigen Maßnahmen in Sachen Meinungsfreiheit für Aufsehen. So wurde erst ein Rentner mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert, weil er ein Meme verbreitete, welches den damaligen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als "Schwachkopf" bezeichnete. Erst vor wenigen Tagen dann erfolgte eine erstinstanzliche Verurteilung des Journalisten Daniel Bendels vom "Deutschland-Kurier". Auch dieser hatte ein offensichtlich gestelltes, satirisches Meme geteilt, bei dem sich die derzeitige Bundesinnenministerin Nancy Faeser vermeintlich selbst als "Feindin der Meinungsfreiheit" titulierte. Viele Verfassungsrechtler und Juristen halten beide Urteile und die damit einhergehende Vorgehensweise für rechtswidrig und überzogen. Nancy Faeser lieferte dabei durch ihren eigenhändig unterzeichneten Strafantrag wohl indirekt selbst den Beweis dafür, dass sie mit der Meinungsfreiheit fremdelt.

Möglich macht diese Art der Verfolgung der erst vor wenigen Jahren neu eingeführte Paragraf §188 des Strafgesetzbuches, welcher die Beleidigung, Verleumdung oder die üble Nachrede gegenüber Personen des politisches Lebens besonders unter Strafe stellt. Der aktuelle Umgang mit diesem neuen Paragrafen weckt allerdings ungute Erinnerungen an zwei Diktaturen auf deutschem Boden, die sich ähnlicher Gesetze bedienten, um die politische Opposition zu unterdrücken. Doch nicht nur in Bamberg verfährt man so. Auch in Mittelhessen scheint nun die Justiz sich dieses Paragrafen bedienen zu wollen, um strafrechtlich gegen Regierungskritiker vorzugehen.

Strafanzeige gegen Regierungskritiker

Unserer Redaktion liegen Informationen vor, dass die Polizei Westhessen ein Ermittlungsverfahren gegen einen bekannten Regierungskritiker aus Herborn eingeleitet hat. Dieser steht im Verdacht am 17.08.2024 auf einer Kundgebung in Wetzlar eine Straftat begangen zu haben, indem er eine "üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens gemäß §188 StGB bzw. eine Beleidigung gem. §185 StGB" getätigt haben soll.

An diesem Tag veranstaltete ein breites Bündnis aus "Wetzlar Steht auf", "Herborn Steht Auf" und weiteren Aktivisten in Wetzlar am Dom eine Solidaritätskundgebung für die seinerzeit von Strafverfolgung und Berufsverbot bedrohte Ärztin Dr. Heidi Göldner. Ihr wurde vorgeworfen, Patienten unrichtig über die Gefahren der Corona-Impfung aufgeklärt zu haben und unwahre Aussagen in Bezug auf ihr bekannte Impfschäden getätigt zu haben. Die gesamte Veranstaltung ist in Youtube dokumentiert.

Im Video ab der Zeitmarke 3:01:30 sprach dann Thomas E. vom Bündnis "Herborn Steht Auf" und berichtete zunächst über seine Erlebnisse als "politisch Verfolgter", der in den letzten Jahren für seine Kritik an Coronamaßnahmen und der aktuellen Regierungspolitik bereits mit Kosten von mehr als 11.000 Euro für Prozesse und Strafzahlungen konfrontiert wurde.

Anschließend daran dokumentierte er in einem ausführlichen Redebeitrag, wie Menschen in den letzten Jahren auf vielfältige Weise ausgegrenzt, denunziert und teilweise sogar genötigt und verfolgt wurden. Er forderte dabei auch eine Strafverfolgung von hochrangigen Politikern wie Ursula von der Leyen, was keineswegs abwegig ist, da sogar die Korruptionsstaatsanwaltschaft bereits in Brüssel ermittelt, nachdem bekannt wurde, dass die EU-Kommissionspräsidenten milliardenschwere Impfstoffverträge per SMS abgeschlossen hat, selbige SMS aber nicht mehr auffindbar sind.

Fragwürdige Vorwürfe

Uns erschließt sich bei Durchsicht des Videos nicht, wo überhaupt und gegen wen eine strafrechtlich relevante Aussage getätigt worden sein soll. Bisher ist uns nicht bekannt, welche "Person des politischen Lebens" sich überhaupt angegriffen fühlt und entsprechenden Strafantrag gestellt hat. Ein solcher ist nämlich grundsätzlich erforderlich, damit überhaupt eine Strafverfolgung von den Straftatbeständen des §185 bzw. §188 erfolgen kann.

Eine Ausnahme könnte darin bestehen, dass die Staatsanwaltschaft in Wetzlar bzw. die Polizei ein sog. Offizialdelikt annehmen. Eine Strafverfolgung kann nämlich auch dann erfolgen, wenn diese im "öffentlichen Interesse" ist, also die mutmaßliche Beleidigung so schwerwiegend ist, dass eine Strafverfolgung öffentlich geboten ist. Im Falle einer Verleumdung käme ein Offizialdelikt auch in Frage, wenn durch diese das politische Wirken der politischen Person erheblich eingeschränkt worden wäre.

Verleumdung ist eine Straftat nach § 187 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB). Sie liegt vor, wenn jemand wissentlich eine unwahre Tatsachenbehauptung über eine andere Person aufstellt, mit dem Ziel, deren Ehre zu schädigen.

Bei einer Rede vor 150 Personen in Wetzlar und einem Video, welches weniger als 2.000mal binnen sieben Monaten auf Youtube angesehen wurde, kann man wohl kaum davon ausgehen, dass das Wirken eines bundesdeutschen oder europäischen Spitzenpolitikers eingeschränkt werden könnte. Nirgends war von dieser Demo und der darin den Ermittlungseifer der Wetzlarer Polizei entfachenden Rede abseits der mittelhessischen Systempresse etwas zu lesen.

Gesinnungsjustiz?

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Erfahrung unseres Autors, dass die Staatsanwaltschaften im heimischen Raum grundsätzlich Verleumdungen nur dann gegeben sieht, wenn Regierungspolitik-konforme Personen geschädigt sein sollen. Wenn umgekehrt Regierungskritiker als "Nazis", "Verschwörungsunternehmer", "Covidioten" oder "Querdenker" verspottet und beleidigt werden, wenn unwahre Tatsachen über diese behauptet oder unzulässige Verbindungen zwischen Personen konstruiert und publiziert werden, sehen die Strafverfolgungsbehörden in der Regel keinen Grund für Ermittlungen und betonen das Recht auf Meinungsfreiheit des Beschuldigten.

Gleiches ist auch dem hier Beschuldigten Thomas E. schon widerfahren, dessen Anzeige gegen einen SPD-Politiker, der ein fragwürdiges Instagramm-Posting mit einem mutmaßlichen Gewaltaufruf im Netz veröffentlichte (wir berichteten), binnen weniger Tage von der Staatsanwaltschaft Limburg eingestellt wurde.

Diese Art von Zweiklassen-Gesellschaft im Rechtssystem haben wir schon oft thematisiert und empfinden deses zunehmend als unerträglich. Immer häufiger und immer offener tritt zutage, dass über konstruierte Verwürfe nach §188 StGB oder auch §130 StGB (Volksverhetzung) Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen unterdrückt werden soll und indirekt massiv in die Meinungsfreiheit eingegriffen wird.

Wir bleiben jedenfalls auch an diesem Fall dran und werden weiter aktuell berichten.

Exkurs: Der §188 StGB im historischen Vergleich

Interessant ist, den aktuellen §188 StGB in einen historischen Kontext zu setzen. Das ist eine sehr spannende und auch politisch sensible Frage – denn sie berührt den Zusammenhang von Strafrecht und politischer Herrschaft. Sowohl im „Dritten Reich“ (NS-Zeit) als auch in der DDR gab es Strafnormen, die vergleichbare Funktionen wie § 188 StGB hatten – nämlich besonderen Schutz für Personen des politischen Lebens. Allerdings mit völlig anderem Geist und Zweck.

Im Folgenden stellen wir die einzelnen Regelungen tabellarisch gegenüber. Wir vergleichen, aber setzen nicht gleich!

Merkmal / EpocheBundesrepublik (heute) – § 188 StGBNS-Zeit – Heimtückegesetz & politische StrafnormenDDR – §§ 106, 220, 221 StGB-DDR
Rechtsnorm § 188 StGB: Verleumdung & üble Nachrede gegen Politiker Heimtückegesetz (1934), Gesetz zum Schutz von Volk und Staat § 106, § 220, § 221 StGB-DDR
Regelung Strafbarkeit bei gezielter Verleumdung/übler Nachrede gegen Personen des politischen Lebens Strafbarkeit bei Kritik oder „Angriffen“ auf NS-Führung und Parteimitglieder Strafbarkeit bei „Verleumdung“ von Staat, SED, Organisationen und Repräsentanten
Zweck der Norm Schutz der Funktionsfähigkeit des demokratischen Staats und politischer Willensbildung Schutz der NS-Herrschaft, Kult um Führer und Partei Erhalt der Einheitspartei-Herrschaft und staatlicher Autorität
Kernaussage des Wortlauts „Wer gegen eine Person des politischen Lebens im Inland eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet […], wird bestraft, wenn die Tat geeignet ist, deren öffentliche Wirksamkeit erheblich zu erschweren.“ „Wer öffentlich gehässige, hetzerische oder ehrverletzende Äußerungen gegen Führer, Partei oder Regierung macht, wird bestraft.“ § 106: Wer staatliche Ordnung oder Organe „verächtlich macht oder verleumdet“ […] <br> § 220: „Wer den sozialistischen Staat oder gesellschaftliche Organisationen verächtlich macht“ <br> § 221: „Wer Repräsentanten des Staates verunglimpft […]“
Adressaten des Schutzes

Demokratisch gewählte Politiker und relevante Personen des politischen Lebens

Fraglich ist u.E. allerdings aufgrund der praktischen Erfahrungen, ob der Schutz gleichermaßen z.B. für AfD-Vertreter / Opposition gilt.

Adolf Hitler, NSDAP-Funktionäre, Partei- und Staatsführung SED-Funktionäre, staatliche Organe, gesellschaftliche Organisationen
Deliktform Grundsätzlich Antragsdelikt (§ 188 Abs. 1), Offizialdelikt bei nachhaltiger öffentlicher Wirkung (§ 188 Abs. 2) Offizialdelikt – systematisch verfolgt durch Gestapo, Sondergerichte etc. Offizialdelikt – politische Strafjustiz durch Staatsanwaltschaft der DDR
Bezug zu Meinungsfreiheit Eingeschränkt zulässig bei klarer Lüge / Ehrverletzung – grundrechtlich geprüft Keine Meinungsfreiheit, staatliche Zensur, massive Repression Keine Meinungsfreiheit, Kritik am Staat war strafbar
Strafrahmen (Beispiele) Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe (§ 188 Abs. 2) Zuchthaus, Todesstrafe in schweren Fällen, Schutzhaft ohne Urteil Freiheitsstrafe, Arbeitslager, Berufsverbote, Überwachung durch Stasi

Auch wenn die Intention heutzutage eine völlig andere ist, kann eine übermäßige Anwendung des Paragrafen 188 auch zu Repression von berechtigter Kritik und zur Ausbildung autoritärer Machtstrukturen beitragen.