Die Rolle von Juristen in Unrechtsregimen – Ein Blick auf die NS-Zeit und die DDR
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Juristen stehen in jedem Staat für Recht und Ordnung – doch was geschieht, wenn das Recht nicht mehr der Gerechtigkeit dient, sondern als Werkzeug der Unterdrückung missbraucht wird? Sowohl im Nationalsozialismus als auch in der DDR spielten Juristen eine entscheidende Rolle dabei, das jeweilige Unrechtsregime zu stabilisieren und durchzusetzen. Während das Recht in demokratischen Staaten dazu dient, Freiheit und Gerechtigkeit zu garantieren, wurde es in diesen beiden Diktaturen zu einem Herrschaftsinstrument, das Repression, Verfolgung und Unterdrückung legitimierte.
Die Justiz im Nationalsozialismus: Ein willfähriges Werkzeug des Regimes
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde die Justiz gleichgeschaltet und vollständig in den Dienst der NS-Ideologie gestellt. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit wurde abgeschafft und durch das sogenannte „Führerprinzip“ ersetzt. Gesetze sollten nicht mehr neutral angewendet werden, sondern sich dem „Volkswillen“ unterordnen – ein Konstrukt, das Hitler und die NSDAP nach Belieben definierten.
Die Rolle der Juristen in dieser Zeit war vielfältig. Einige entwarfen die menschenverachtenden Rassengesetze, darunter die Nürnberger Gesetze von 1935, die Juden entrechteten und die Grundlage für den Holocaust schufen. Andere fungierten als Richter und Staatsanwälte, die drakonische Strafen über Regimegegner verhängten oder am Volksgerichtshof Schauprozesse inszenierten. Besonders berüchtigt wurde Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofs, der durch seine theatralischen und vernichtenden Urteile auffiel. Die Justiz diente nicht der Rechtsprechung, sondern der Ausschaltung tatsächlicher und vermeintlicher Gegner des Regimes.
Trotz dieser umfassenden Anpassung gab es vereinzelt Juristen, die Widerstand leisteten. Einer von ihnen war Hans von Dohnanyi, der durch seine Arbeit im Reichsjustizministerium versuchte, Verfolgten zu helfen, und schließlich selbst hingerichtet wurde. Helmuth James Graf von Moltke, ein führendes Mitglied des Kreisauer Kreises, kämpfte für eine alternative, gerechte Rechtsordnung und fiel ebenfalls dem NS-Regime zum Opfer. Solche Beispiele blieben jedoch die Ausnahme.
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches 1945 wurde die Rolle der Juristen nur zögerlich aufgearbeitet. Viele ehemalige NS-Juristen setzten ihre Karrieren unbehelligt fort – sowohl in der BRD als auch in der DDR. Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Mittäterschaft der Justiz begann erst Jahrzehnte später.
Die Justiz in der DDR: Recht als Instrument der Parteiherrschaft
Auch in der DDR spielte das Recht eine zentrale Rolle bei der Sicherung der politischen Macht, allerdings unter anderen Vorzeichen. Die DDR verstand sich als sozialistischer Staat, doch ihre Justiz war keineswegs unabhängig. Richter und Staatsanwälte unterstanden der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die das Rechtssystem als Instrument zur Kontrolle der Bevölkerung nutzte. Der sozialistische Rechtsstaat war eine Fassade – tatsächlich galt das Primat der Partei.
Die DDR-Justiz war vor allem für ihre politischen Prozesse berüchtigt. Wer sich gegen das Regime stellte oder auch nur verdächtigt wurde, oppositionelle Gedanken zu hegen, wurde oft in Schauprozessen verurteilt. Anklagen wegen „staatsfeindlicher Hetze“ oder „Republikflucht“ führten zu langjährigen Haftstrafen. Besonders drastisch traf es Menschen, die versuchten, aus der DDR zu fliehen – viele wurden an der innerdeutschen Grenze erschossen oder später in Haftanstalten wie Bautzen inhaftiert. Die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) war dabei eng und systematisch.
Auch in der DDR passten sich die meisten Juristen dem System an oder machten aktiv mit. Viele Rechtsanwälte arbeiteten als inoffizielle Mitarbeiter der Stasi und untergruben so die Verteidigung ihrer eigenen Mandanten. Die Rechtsprechung orientierte sich nicht an objektiven Maßstäben, sondern an politischen Vorgaben der Partei.
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde die DDR-Justiz einer umfassenden Überprüfung unterzogen. Viele ehemalige Richter und Staatsanwälte wurden entlassen oder vor Gericht gestellt. Doch die juristische Aufarbeitung blieb unbefriedigend: Nur wenige Verantwortliche wurden tatsächlich für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen.
Parallelen und Unterschiede zwischen NS-Justiz und DDR-Justiz
Obwohl die beiden Systeme in ihrer Ideologie grundverschieden waren, weisen sie auffällige Gemeinsamkeiten in der Instrumentalisierung der Justiz auf. In beiden Regimen wurde das Recht nicht zur Durchsetzung von Gerechtigkeit genutzt, sondern zur Legitimation politischer Willkür. Richter und Staatsanwälte wurden nicht als unabhängige Organe betrachtet, sondern als Werkzeuge der jeweiligen Diktatur. Politische Prozesse, drakonische Strafen und eine fast vollständige Anpassung der Juristen an das Regime kennzeichnen sowohl die NS-Justiz als auch die DDR-Justiz.
Die Vorkehrungen des Grundgesetzes gegen Unrechtsjustiz
Nach den Erfahrungen mit Unrechtsregimen wurden im deutschen Grundgesetz (GG) gezielt Schutzmechanismen eingebaut, um eine unabhängige Justiz zu gewährleisten. Artikel 97 GG garantiert die Unabhängigkeit der Richter, Artikel 1 schützt die Würde des Menschen als oberstes Prinzip. Zudem sichert das Prinzip der Gewaltenteilung (Artikel 20 GG) eine klare Trennung von Justiz, Exekutive und Legislative.
Doch auch in einer Demokratie ist das Rechtssystem nicht immun gegen Beeinflussung. Die Weisungsgebundenheit von Staatsanwälten gegenüber der Exekutive (Justizministerien) kann dazu führen, dass politische Interessen in Ermittlungen hineinspielen. Zudem gibt es immer wieder Berichte über politischen Druck auf Gerichte oder mangelnde Aufarbeitung juristischer Fehlurteile.
Ein weiteres Problem besteht in der öffentlichen Wahrnehmung: Während in Unrechtsregimen Justizwillkür offensichtlich war, können in einer Demokratie subtilere Formen der Einflussnahme geschehen, etwa durch mediale Vorverurteilung oder parteipolitische Einflussnahmen auf die Besetzung hoher Richterposten.
Fazit: Juristen zwischen Anpassung, Mittäterschaft und Widerstand
Die Rolle von Juristen in Unrechtsregimen zeigt, wie leicht das Recht zu einem Werkzeug der Unterdrückung pervertiert werden kann. Das Grundgesetz schafft wirksame Vorkehrungen, doch auch in einer Demokratie bleibt Wachsamkeit geboten. Die Unabhängigkeit der Justiz ist kein Selbstläufer – sie muss aktiv verteidigt werden, um zu verhindern, dass sich Geschichte wiederholt.