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Verstoß gegen das Neutralitätsgebot? Fragwürdige Plakataktion an Runkeler Schule

17. Februar 2025 // geschrieben von Manfred
Banner an der Johann-Christian-Senckenberg-Schule in Runkel (15.02.2025)

Am 15.02.2025 fand in Runkel in der Stadthalle eine Parteiveranstaltung der AfD Limburg-Weilburg statt. Begleitet wurde diese Veranstaltung von einem Gegenprotest zivilgesellschaftlicher Bündnisse und politischer Parteien des linken Spektrums. Offenbar wollten sich auch Schüler und Lehrkräfte an der politischen Meinungsbildung beteiligen und hingen ein Banner an der Außenfassade der Johann-Christian-Senckenberg-Schule auf und schmückten Fenster in der unteren Etage mit politischen Botschaften. Weniger die auf diesen Plakaten zu lesenden Botschaften, sondern mehr die bewusste Platzierung in Verbindung mit der kontroversen AfD-Veranstaltung, wecken Zweifel an der politischen Neutralität von Schulleitung und Lehrkräften. Wir haben nachgefragt und geben einen Überblick, warum diese Einmischung von Bildungseinrichtungen in den politischen Wahlkampf problematisch ist.

Politisches Statement

Im Rahmen unserer Berichterstattung von der AfD-Parteveranstaltung sowie dem zeitgleich angemeldeten Gegenprotest ist uns gegenüber der Stadthalle Runkel, dem Veranstaltungsort der AfD-Versammlung, zuerst ein Banner mit einer klaren politischen "Vielfalts"-Botschaft aufgefallen. Kurz danach erblickten wir dann in der unteren Etage eine ganze Reihe politischer Plakate.

 

Wir haben uns die einzelnen Plakate angeschaut. Im oben stehenden Video haben wir diese vorgestellt und ordnen diese auch ein. Die Plakate selbst haben keinen klar erkennbaren Bezug gegen die AfD sondern formulieren überwiegend allgemeine Positionen, die man überwiegend als eher links bezeichnen würde. Inhaltlich erachten wir die Plakate deshalb für weniger kritisch. Und es spricht auch grundsätzlich nichts dagegen, dass sich junge Menschen über politische Positionen Gedanken machen und diese auch artikulieren.

Problematisch ist dagegen, dass die Positionierung der Plakate eine unmissverständliche Botschaft an zufällige Beobachter sendet, die als Anti-AfD-Position gelesen werden kann. Mindestens ein Hinweis, was diese Aktion soll, wäre deshalb hilfreich und notwendig. Auch stellt sich die Frage, warum unserer Erkenntnis nach nur in Richtung der Stadthalle diese Botschaften platziert wurden, was den Vorhalt, dass dies als bewusste Provokation in Richtung AfD zu verstehen ist, erhärtet.

Wir haben deshalb bei Schulamt, Landkreis (als Schulträger) und beim Direktor der Schule, laut Impressum ist dies Herr Ingo Nierfeld (oben im Bild 2. von links), diverse Fragen zu dieser Aktion gestellt. Bis zum Redaktionsschluss blieben unsere Fragen von allen Angefragten unbeantwortet.

Was hat es mit der Neutralitätspflicht auf sich?

Das Neutralitätsgebot an Schulen ist ein zentrales Prinzip des deutschen Schulrechts und leitet sich aus der Verfassung, insbesondere aus dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ab. Es betrifft die politische, weltanschauliche und religiöse Neutralität von Lehrkräften sowie die Gestaltung des Schulunterrichts.

Das Neutralitätsgebot basiert auf mehreren Artikeln des Grundgesetzes:

  • Artikel 5 GG – Meinungsfreiheit: Lehrkräfte haben grundsätzlich das Recht auf freie Meinungsäußerung, müssen aber im Dienst eine besondere Zurückhaltung wahren.
  • Artikel 7 GG – Schulwesen: Der Staat hat das Recht, über die Bildungsinhalte zu bestimmen, muss dabei aber Neutralität wahren.
  • Artikel 33 Abs. 5 GG – Pflicht zur Verfassungstreue: Beamte (also auch verbeamtete Lehrer) müssen die freiheitlich-demokratische Grundordnung achten.
  • Artikel 3 GG – Diskriminierungsverbot: Niemand darf aufgrund politischer Überzeugung benachteiligt oder bevorzugt werden.

Ergänzend gibt es weitere Schulgesetze der Länder, die die Neutralitätsverpflichtung konkretisieren.

Bedeutung für Lehrkräfte

Lehrerinnen und Lehrer haben eine besondere Verantwortung, da sie Einfluss auf die politische und weltanschauliche Meinungsbildung von Schülerinnen und Schülern haben. Das bedeutet:

  • Verbot der Indoktrination: Lehrkräfte dürfen ihre eigene politische Meinung nicht als einzig richtige darstellen oder Schüler in eine bestimmte Richtung beeinflussen.
  • Sachliche und ausgewogene Darstellung: Politische Themen müssen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden, damit Schülerinnen und Schüler sich eine eigene Meinung bilden können.
  • Behandlung kontroverser Themen: Die „Beutelsbacher Konsens“ (ein pädagogisches Prinzip aus den 1970er Jahren) fordert, dass in der Wissenschaft und Gesellschaft umstrittene Themen auch im Unterricht kontrovers behandelt werden.
  • Keine parteipolitische Werbung: Lehrer dürfen weder aktiv für noch gegen eine bestimmte Partei oder politische Richtung werben.
  • Verhalten außerhalb des Unterrichts: Auch außerhalb der Schule müssen Lehrkräfte beachten, dass sie in der Öffentlichkeit als Beamte oder Angestellte im Staatsdienst wahrgenommen werden.

Es gibt aber auch Grenzen der Neutralität. So sollen sich Lehrkräfte klar gegen verfassungsfeindliche und extremistische Positionen stellen. Gleiches gilt, wenn Aussagen und Positionen klar gegen Grundrechte oder Menschenwürde verstoßen würden. Im Zweifel wären aber solche Positionen in einem fairen und offenen Diskurs anzugreifen.

Wir haben die KI "ChatGPT" gebeten uns aufzuzeigen, welches Verhalten von Lehrkräften mit der Neutralitätspflicht vereinbar und welches unvereinbar erscheint:

SituationZulässigUnzulässig
Diskussion über Parteien Erläutern, welche Parteien es gibt und welche Positionen sie vertreten Sagen, welche Partei „die beste“ ist oder dass eine bestimmte Partei „schlecht“ sei
Debatte über Klimaschutz Verschiedene wissenschaftliche Positionen darstellen und Maßnahmen analysieren Eigene Meinung als die einzig wahre darstellen oder aktiv für eine Umweltbewegung werben
Teilnahme an Demos Privat außerhalb der Schule an Demos teilnehmen (solange sie demokratisch sind) Während des Unterrichts Schüler zur Teilnahme an einer Demo aufrufen
Extremistische Äußerungen eines Schülers Klare Gegenposition aus Sicht des Grundgesetzes einnehmen und demokratische Werte verteidigen Relativieren oder unkritisch stehen lassen

Wir würden gerne mehr darüber erfahren, wie die Meinungsbildung in der JCSS Runkel abläuft, wie unterschiedliche Positionen dargestellt und debattiert werden.
Wir würden gerne wissen, wer und wie die Positionen der AfD in Abgrenzung zu anderen Parteien erläutert werden und ob die AfD gegenüber anderen Parteien "einen Makel" hat.
Wir würden gerne erfahren, ob es Zufall war, dass die Plakate ausgerechnet an diesem Tag sichtbar waren. Oder ob gezielt "Stimmung" für die anstehende AfD-Veranstaltung gemacht wurde.

Damit heranwachsende Menschen mündige Bürger werden, muss man ihnen zuallererst kritisches Denken beibringen. Sie sollten u.E. lernen, dass Wissen und Erkenntnis dadurch reifen, dass man Thesen und Antithesen durchdenkt, das man mit kritischen Geistern - auch mit Menschen, deren Meinung man nicht teilt! - diskutiert. Damit stärkt man zum einen die eigene Argumentationsstärke. Und zum anderen kann man nahezu von jedem Menschen etwas lernen. Der offene Diskurs ist das Lebenselixier einer demokratischen und freien Gesellschaft.

Werden Brandmauern errichtet, werden Wähler und ihre Meinungen ignoriert, werden gar die Anhänger politischer Parteien angegriffen oder an der Ausübung ihrer demokratischen Rechte gehindert, dann wäre es die Aufgabe von Politikunterricht an einer Schule den Wert der offenen, kontroversen und manchmal auch schwer erträglichen Debatte darzustellen und die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, "sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen". Der amtierende US-Vizepräsident J.D. Vance hat diesen Wert der Meinungsfreiheit erst vor wenigen Tagen herausragend dargestellt.

Der Zustand im Bildungswesen - ein Beispiel

Einen Einblick in die Denkweise deutscher Lehrkräfte wurde uns vor wenigen Stunden im neuen ARD-Format "hart aber fair 360" dargeboten. Eine junge Grundschullehrerin verteidigt im Gespräch mit AfD-Parteisprecher Tino Chrupalla die Demokratie. Sehen Sie selbst:

Die Aussagen dieser jungen Lehrerin schockieren gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen spricht sie den Eltern ab, zuerst und zuvorderst ihre Kinder erziehen zu dürfen, wozu auch weltanschauliche Überzeugungen gehören. Natürlich ist dies kein Freifahrtscheint für irgendwie geartete extremistische oder grundrechtswidrige Personen, denen - sofern sie in der Schule geäußert werden - durchaus entgegengetreten werden kann. Durch Dialog mit Schülern oder Eltern zum Beispiel.

Im Gespräch ist zum anderen für uns klar erkennbar, dass der Dame allein schon absolut gesetzeskonforme Anliegen der AfD zuwider sind und sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen Positionen "täglich entgegenzutreten". Man bedenke: die Dame ist Grundschullehrerin und unterrichtet in der ersten bis vierten Klasse. In diesen Klassenstufen sollte vor allem Schreiben, Lesen, Rechnen, Malen, Sport und Musik auf dem Lehrplan stehen. Und nicht die politischen Positionen irgendwelcher Parteien.

Die Dame ist ein selbstberedetes Beispiel für die "Haltung" wohl so einiger Lehrkörper. Freiheit und Demokratie galt es beispielsweise in der Corona-Zeit zu verteidigen. Damals maß sich der Staat an faktenfrei die Schulen zu schließen oder Kinder ganztägig unter Maskenpflicht zu unterrichten. Man übte Druck auf ältere Schüler aus, sich einen weitgehend unerforschten und nebenwirkungsreichen Impfstoff verabreichen zu lassen. An diesen "Taten" waren Lehrkräfte und Schuldirektoren auch beteiligt.

Wir brauchen uns nur das oben stehende Foto aus Runkel anzuschauen, wo die Lehrkräfte der Schule mit Masken im Freien und bei Abstand ein Foto schießen lassen. Eine Aktion, die selbst Karl Lauterbach inzwischen als "Schwachsinn" bezeichnete und die schon im Herbst 2020 - wir hatten damals nachgefragt! - von Gesundheitsämtern als nicht angemessen bezeichnet wurde.

Fazit

Das Neutralitätsgebot an Schulen schützt die politische Unabhängigkeit des Unterrichts und die Meinungsfreiheit der Schüler. Lehrkräfte dürfen und müssen politische Themen besprechen, müssen dies aber ausgewogen und ohne Indoktrination tun. Neutralität bedeutet nicht Passivität – bei Extremismus oder Grundrechtsverletzungen sind klare Grenzen gesetzt. Umgekehrt gilt aber auch, dass es zuvorderst Aufgabe der Schulen ist, Schülerinnen und Schüler in die Lage zu versetzen, Informationen sachgerecht zu verarbeiten, eigene Standpunkte zu entwickeln und sie zu befähigen, ihre Ansichten mutig und selbstbestimmt, ggf. auch kontrovers, zu vertreten. Dies gelingt Lehrkräften jedoch nur, wenn die eigenen Überzeugungen nicht als Haltung das eigene Handeln determinieren.

Siehe auch "Die Werte der Aufklärung"